Pressekonferenz Leistbares Wohnen

Das Thema Wohnen ist für viele Menschen in diesem Land zu einer existenziellen Frage geworden. Während das mittlere Einkommen der ÖsterreicherInnen in den vergangenen zehn Jahren inflationsbereinigt um nur ein Prozent gestiegen ist, sind die Mieten im selben Zeitraum um 13 Prozent (in Altbauten sogar um 24 Prozent) in die Höhe geschnellt. Mittlerweile empfinden 38 Prozent aller ÖsterreicherInnen ihre Wohnungskosten als enorm belastend. "Laut jüngstem EU-Sozialbericht sind auch 1,4  Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht", sagt Caritas-Präsident Franz Küberl. Gemeinsam mit Caritasdirektor Michael Landau nahm er am Mittwoch im JUCA, einem Übergangswohnhaus für junge Wohnungslose in Wien-Ottakring, zur aktuellen Wohndebatte Stellung. "Überteuerte Mieten, undurchschaubare Zuschlagsysteme und hoher Eigenmittelanteile bekommen nicht nur Menschen am Rand der Gesellschaft zu spüren. Das Problem hat längst die Mittelschicht erreicht", stellte Landau dabei fest. Mittlerweile geben armutsgefährdete ÖsterreicherInnen bereits über 37 Prozent ihres Einkommens für Miete und Energie aus. Das Thema leistbarer Wohnraum ist damit ein Thema, das alle Menschen betrifft - gerade deshalb darf es nicht für populistische Wahlkampfzwecke geopfert werden, warnt die Caritas.

Caritas-Wohnpaket:
Küberl und Landau präsentierten bei der heutigen Pressekonferenz deshalb auch ein Maßnahmenpaket, das dazu dienen könnte, die Wohnungssituation von vielen ÖsterreicherInnen erträglicher zu machen.

•    Zweckwidmung Wohnbauförderung
Durch das Zweckzuschussgesetz 2001 wurde das jahrzehntelang bewährte "Kreislaufsystem" der Wohnbauförderung praktisch abgeschafft. Mit der Gesetzesänderung wurden die Rückflüsse aus Darlehen ganz oder teilweise von ihrer bisherigen Zweckbindung befreit. "Eine Wiedereinführung der Zweckwidmung hätte neben der direkten Auswirkung von mehr vorhandenem Wohnraum durch die Bautätigkeit auch indirekte Auswirkungen wie den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft. Außerdem hat der geförderte Wohnbau preisdämpfenden Einfluss auf den Wohnungsmarkt", betonte Küberl. Die Zweckwidmung der Wohnbauförderung soll deshalb auch wieder eingeführt werden, fordert die Caritas.

•    Sozialer Wohnbau
"Die Lage am Wohnungsmarkt ist nicht zuletzt wegen des Rückzugs der öffentlichen Hand in den letzten Jahrzehnten angespannt. Wir benötigen mehr sozialen Wohnbau, der auf die Bedürfnisse sozial schwacher Menschen abgestimmt ist", betonte auch Landau. Um einen allgemeinen Rückgang der Mieten zu erreichen, wird es daher nötig sein, dass Österreichs Kommunen neue Konzepte entwickeln und wieder deutlich mehr gemeindeeigene Flächen für den Sozialen Wohnbau kostengünstig zur Verfügung stellen.

•    Gemeindewohnungen

Landau: "Ein Mangel an kommunalen Wohnbauten hat für einkommensschwache Menschen dramatische Folgen. Bau- und Grundkostenbeiträge sind für viele Menschen genauso wenig leistbar, wie die bei der Anmietung anfallenden Einmalkosten. Aus Sicht der Caritas braucht es mehr eigenmittelfreie Wohnungen, um auch diesen Menschen einen Zugang zu leistbaren Wohnraum zu ermöglichen." Eine höhere Anzahl von günstigen "Gemeindewohnungen" habe schließlich auch eine Absenkung des Mietniveaus im Allgemeinen zur Folge, ergänzte Landau. Küberl fordert: "Es braucht eine Ankurbelung des sozialen Wohnraums in ganz Österreich."

•    Zu- und Abschläge
Weiteren Lösungsbedarf sieht die Caritas etwa im unübersichtlich gewordenen "Dschungel" von Zu- und Abschlägen, die MieterInnen oft wahllos verrechnet werden. "Dies macht deutlich, dass das Richtwertsystem nicht funktioniert. Das Gesetz lässt zu viele Schlupflöcher für die Erfindung neuer Zuschläge zum Mietzins zu, die obendrein nicht gedeckelt sind. Die Politik sollte daher alle möglichen Zu- und Abschläge, die rechtlich zulässig sind, im Mietschutzgesetz vollständig auflisten - nachvollziehbar für Wohnungssuchende aber auch für Gerichte", so Landau.
 
•    Recht auf Wohnen
Eine Bestärkung der Wichtigkeit der Abdeckung des Wohnbedürfnisses lässt sich aus der revidierten Europäischen Sozialcharta von 1996 (ratifiziert am 01.05.2011) herauslesen. Mit diesem Dokument bekennen sich die unterzeichnenden Mitgliedstaten zu grundlegenden Rechten ihrer jeweiligen Bevölkerung - etwa das Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung und das Recht auf soziale Sicherheit. Das Problem: Österreich hat anders als etwa Finnland, Schweden oder die Türkei die Artikel 30 (Recht auf Schutz vor Armut) und 31 (Recht auf Wohnung) nicht ratifiziert. "Dass Österreich ein Bekenntnis zum Recht auf Wohnen ablehnt, ist ärgerlich. Wir fordern daher die nachträgliche Ratifizierung des Artikels 31", so Küberl abschließend.